Geister-Vertreibung

Jahre nachdem der Bleichebach wieder aufgerissen worden war, und die Bachgeister wieder begonnen hatten ihr Unwesen zu treiben gingen zwei besonders aufgeweckte Bürschlein zusammen in die Schule.

Stephan, der Sohn eines Schlachters, welcher in dem neu errichteten Schlachthof arbeitete, und Simon der Sprössling einer Bleicherfamilie, waren der fleischgewordene Schrecken ihrer Lehrer und Nachbarn. Verging doch nicht ein Tag ohne das die beiden einen Streich ausheckten, oder aber wie wild mit ihren Fahrrädern oder ihrer selbst zusammen gezimmerten Seifenkiste durch die Straßen rasten.

Manch Hund der nicht schnell genug das Weite suchte verlor vor Schreck über die rasselnden Gefährte und das laute Johlen und Schreien der beiden Halodri sein Fell. Katzen sprangen auf die Bäume und waren tagelang nicht dazu zu bewegen wieder herunter zu klettern. Mehr als nur eine Milchkanne fielen einer erschrockenen Bauersfrau aus der Hand, manch Korb voll frischer Wäsche ward umgestoßen und manches Duzend Eier zerbrach auf dem Weg zum Markt.

Der Lehrer, welcher den Burschen morgens den Rohrstock schon so manches Mal nur zur Vorbeugung übergezogen hatte, meinte einmal sogar, sie seien ein schlimmeres Unheil als die Bleichebachgeister. Dieser Satz ließ den Spitzbuben keine Ruhe mehr. Fast ständig dachten sie darüber nach wie es denn wohl sein würde, wenn sie und die Bachgeister gemeinsam ihr Unwesen trieben. Bei allem Nachsinnen wie es wohl anzustellen war die Bachgeister zu rufen, vergaßen sie fast ihre sonstigen Schandtaten und der Lehrer und die Nachbarn fanden es schon unheimlich ruhig. Da kam eines morgens der Sohn des Schlachters atemlos zur Schule gelaufen. Als der Simon ihn fragte was er den habe, so außer Atem in der Schule anzukommen wo sie es doch eigentlich beide nicht so eilig hätten mit dem Unterricht, da antwortete ihm Stephan keuchend, er habe ein Gespräch zwischen den Eltern belauscht, die sich darüber unterhielten, dass im Wald unterhalb der Ruine eine uralte Kräuterfrau wohne und die sei mit dem Teufel im Bunde. Die Alte hätte anscheinend schon so manches Mal das Vieh verhext, die Geister beschworen und ähnliches. Der einzige Grund warum sie noch nicht davongejagt worden war, sei der dass so mancher Bauer und so manche Magd ihre Dienste schon bitter nötig hatten.

Simon war es zuerst gar nicht geheuer in den finsteren Bannwald zu gehen und eine alte Hexe zu suchen, aber der Stephan überredete ihn mit leuchtenden Augen, was würden sie für Streiche spielen wenn die Bachgeister auf ihrer Seite waren. Also ließen sie die Schule Schule und den alten Lehrer Lehrer sein und zogen hinauf zur Ruine. Aber wie findet man jetzt die Kate der Alten?

Stunde um Stunde zogen sie durch das Gestrüpp und als es langsam zu dunkeln begann verließ sie der Mut und der Hunger kam an seiner Stelle. Sie wollten sich auf den Heimweg machen, aber welcher war jetzt denn der Richtige?

Gerade als ihnen flau werden wollte sah Simon im Dickicht ein Licht. Es sah aus wie ein beleuchtetes Fenster einer winzigen Hütte und sie waren sich sicher dass sie an dieser Stelle wohl schon ein duzend Mal vorbei gelaufen waren und dort sicher nichts war. Langsam und vorsichtig näherten sie sich dem Licht und tatsächlich es war eine kleine Kate die höchstens ein Zimmer haben konnte. Das Fenster aus dem der Lichtschein kam war klein und vor Schmutz und Dreck blind sodass sie nicht erkennen konnten was in der Hütte vor sich ging.

Als die beiden gerade beratschlagen wollten was wohl zu tun sei ertönte von innen eine Stimme die ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die gruselige Stimme hieß die beiden einzutreten und so betraten sie einen winzigen Raum, vollgestellt mit allerlei Gläsern und Tigeln. In manchen waren Gräser und Kräuter in anderen Tiere und in wieder anderen Pilze oder ähnliches eingelegt. Über einer offenen Feuerstelle brodelte ein uralter Kessel und ein mindestens eben so uraltes Weib fragte sie nach dem Grund ihres nächtlichen Besuches.

Stotternd und zögernd berichteten die beiden Schlingel von ihrem Vorhaben die Bachgeister schon lange vor dem Schmutzigen Dunschtig zu rufen. Im großen und ganzen gefiel der alten Vettel der Gedanke, dass den braven Bürgern mal wieder so ordentlich Zunder gegeben werden würde, aber sie warnte die Burschen auch, mit Bachgeistern ist nicht zu spaßen und wahrscheinlich würden sie wohl eher tun und lassen wozu sie Lust hätten und keine Bubenstreiche mitmachen.

Das aber, und das wusste die Alte vom ersten Moment an, war den beiden vollkommen schnurz. So stapften sie dann mit den nötigen Formeln ausgestattet Frohgehmuts den Berg hinunter in Richtung der schlafenden Stadt. Gleich in der nächsten Nacht sollte das Ereignis seinen Lauf nehmen.

Die Burschen trafen sich in der Nacht auf der Insel hinter dem Schlachthof. Es war Martini und von der Stadt her sahen sie vereinzelte Laternen leuchten als sie ihr finsteres Werk begannen.

Sie stellten sich auf und begannen mit den Formeln die ihnen die Alte gab die Bachgeister zu rufen. Zuerst geschah nichts, zu zögerlich wohl war ihr Rufen. Doch beim zweiten Anlauf rollte ein gewaltiger Donner über das Wasser und mit schauerlichen Gebrüll stürmten furchterregende Gestalten auf die beiden zu.

Die verließ augenblicklich der Schneid und sie rannten so schnell sie konnten nach Hause. Unterwegs wurden sie so manches Mal derb geschlagen und gestoßen und am nächsten Morgen kamen sie blau und grün zur Schule. Kleinlaut saßen sie in der hintersten Bank, und als der Lehrer mit dem Rohrstock kam um sie für die elenden Streiche die sie in der Nacht begangen hatten zu bestrafen, heulten sie los und rannten aus der Schule.

Die losgelassenen Bachgeister aber trieben ihr Unwesen von Nacht zu Nacht immer ausgelassener und wilder ohne auch nur einmal zu vergessen sich bei den beiden Geisterbeschwörern zu bedanken. Keine Nacht schliefen die beiden mehr, denn bedenke, Bachgeister lassen sich nicht von kleinen Jungen beherrschen. Sie trieben es vor allem in der Bleiche und im Schlachthof so bunt, dass die Arbeit eingestellt werden musste und die Väter der beiden nun ohne Lohn und Brot da standen.

Da machte sich die kleine Schwester von Stephan auf den Weg zur Alten im Wald, die musste doch wissen wie die Bachgeister wieder in die Schranken gewiesen werden konnten. Trotz ihre Angst fand die kleine tapfer das Häuslein der Alten und weil sie so mutig war rührte sie das Herz der Kräuterfrau. Diese erklärte ihr, dass die Bachgeister nur eines fürchten, fröhliche mutige Kinder und nur diese dem Spuk ein Ende setzen können. So rannte die Kleine so schnell sie konnte nach Hause, denn es blieb ihnen nicht viel Zeit, schon in der nächsten Nacht, die Nacht auf Aschermittwoch mussten sie nutzen, dann und nur dann würde es ihnen vielleicht gelingen. Wenn nicht dann würde das Unheil noch mindestens ein weiteres Jahr über Singen toben.

Die beiden Spitzbuben mussten in der kommenden Nacht auf der Insel als Köder für die Geister dienen, und tatsächlich die Geister stürmten heulend und schreien auf die beiden zu, aber… kurz bevor sie sie erreichten sprangen Stephans kleine Schwester, die Brüder von Simon und sämtliche Nachbarskinder aus ihren Verstecken. Mit lautem Geschrei und mit allerlei Lärminstrumenten versehen brachten sie die Geister zum Stehen.

Und dann… ganz langsam… drehten die schrecklichen Gesellen um und zogen sich knurrend und Zähne fletschen in ihre Verstecke zurück.

Keiner hat es seit dem gewagt die Bachgeister einfach nur zum Spaß zu rufen, denn es genügt völlig und ist schon schrecklich genug wenn sie in der Fasnacht ihr Unwesen treiben.