Geister-Erweckung

An einem kalten Novembertag trug es sich zu, dass ein Kaufmann von außerhalb nach Singen kam um in der Bleiche Stoffe zu kaufen.
Da er schon viel von den Bachgeistern gehört hatte begann er die Bleicher auszufragen, bekam aber nur ausweichende Antworten. Als er dann abends wieder in seiner Herberge war, brachte er geschickt die Sprache auf die Schandtaten der Bachgeister. Mit Wein und Bier, dass er ausgab, gelang es ihm schließlich auch die eine oder andere Zunge zu lockern und so ging es gar nicht lange bis ein besonders eifriger Zecher anfing von den Untaten der Bachgeister zu berichten. Bald kam er auch zu der Geschichte wie zwei Jungen es schafften die Bachgeister zu rufen, und damit beinahe eine wüste Zeit über Singen herein beschworen hatten.
Um den kostenlosen Biersegen nicht zu schnell versiegen zu lassen, erzählte der alte Trunkenbold mehr und mehr. Da schon lange das Gerücht die Runde machte, die Bachgeister würden einen anständigen Schatz hüten dachte sich der Zecher es würde seinem Durst nicht schaden wenn er dies, besonders schön ausgeschmückt, dem Kaufmann erzählte.
Und so war es auch. Kaum hatte der gierige Kaufmann von dem Schatz gehört, fingen seine Schweinsäuglein an zu leuchten und er wollte wissen wie, wann und vor allem wo man an das Gold der Bachgeister kommen könnte.
Er begann den Zecher zu bedrängen ihm doch dabei zu helfen, dass Bachgeistergold zu heben. Dieser aber wurde leichenblass und schlagartig nüchtern. Schneller als dem Kaufmann lieb war stürzte er aus der Schenke.
Der Wirt, der außer dem Kaufmann der letzte war der sich noch zu der späten Stunde im Schankraum war, wollte dem ganzen die Krone aufsetzen und meinte lachend: ” An deiner Stelle würd ich den Stephan und den Simon fragen, die haben es schließlich vor Jahren als einzige geschafft die Ungeheuer aus dem Bach zu locken.”
Nach einer unruhigen Nacht, in der er laufend von riesigen Schätzen träumte, machte sich der Kaufmann sogleich bei Tagesanbruch auf den Weg die beiden zu suchen.
Seit ihrem Abenteuer mit den Bachgeistern waren die beiden geheilt. Niemand konnte sich mehr über sie beschweren. Stephan hatte eine Lehre beim Schmied begonnen und Simon war als Lehrling bei einem Wagner. Beide galten sie jetzt als fleißige, rechtschaffene Burschen denen keine Arbeit zu schwer war.
Der Kaufmann platzte ohne Gruß bei jedem der Jungen mit seiner Bitte heraus. Sie sollten ihm helfen die Bachgeister zu beschwören, doch sein Wunsch viel auf taube Ohren. Für kein Gold der Welt hätten die beiden noch einmal die Bachgeister herausgefordert, nur zu gut wussten sie das es das letzte mal nicht ihr Verdienst war, dass es noch einigermaßen glimpflich abgegangen ist.
Doch der Kaufmann war in seiner Gier nicht mehr zu bremsen. In der Hoffnung die beiden doch noch umstimmen zu können lud er sie am Abend in die Schenke ein, und mehr um vor dem aufdringlichen Geldsack ihre Ruhe zu haben als aus purer Freude, sagten die beiden zu.
Kaum betraten sie den Schankraum ließ der Kaufmann Speisen und Bier auffahren.
Der Kaufmann sprach mit Engelszungen und hoffte, das Bier würde sein übriges tun. Doch die beiden Burschen waren um nichts in der Welt dazu zu bringen mit dem Kaufmann die Bachgeister zu rufen.
Allerdings waren sie nach einigen Bieren und einem anständigen essen so weit, dem Kaufmann zu verraten wie man die Bachgeister rufen könne.
Nachdem sie noch mal eindringlich davor gewarnt hatten sein Vorhaben durchzuführen verabschiedenden sich die zwei und machten sich auf den Heimweg. Der Kaufmann aber machte sich sofort daran seine Zutaten für die Beschwörung zusammen zubekommen und die nötigen Formeln auswendig zu lernen.
An Martini fand er sich dann auch schon kurz nach dem es Nacht geworden war auf der Insel in der Aach ein, aufgeregt und nervös begann er mit der Beschwörung, er hatte sich auch schon überlegt was er den Bachgeistern zum Tausch gegen den Schatz anbieten könnte.
Mit lauter Stimme rief er die Bachgeister und schon bald begann ein starker Wind zu heulen, auf der Aach kräuselten sich Wellen und ein tiefes, lautes Stöhnen schien direkt aus der Erde zu kommen.
Doch der Kaufmann war viel zu besessen von seiner Goldgier als das er Angst bekommen hätte. Immer lauter und fordernder wurde seine Beschwörung, immer stärker wurde der Wind es war nun schon ein richtiger Sturm. Vor ihm schien das Wasser zu kochen und er sah rotes und grünes Leuchten aus dem Wasser empor steigen. Jetzt bekam er doch ein bisschen das Frack sausen aber es war zu spät! Schreckliche Gestalten schossen über das Wasser auf ihn zu und trotz seiner nun doch schon gehörigen Angst blieb der gierige Pfeffersack standhaft. Das verwunderte die Geister und sie begannen den Kaufmann langsam zu umkreisen.
Dieser fasste sich ein Herz und fing an mit zittriger Stimme sein Angebot vor zu tragen. Die Bachgeister lachten und trieben ihre derben Späße mit dem mittlerweile nicht mehr ganz so mutigen Mann, und eine Stimme, tief und hohl, grad so wie aus einem Grab erhob sich und fragte donnernd : ” Und was meinst du Wicht was du uns im Tausch gegen unser Gold anbieten kannst was wir nicht schon selber hätten, was?” “Eure Freiheit.”
Meinte der verunsicherte Kaufmann zaghaft. Viel lieber wär ihm jetzt gewesen er hätte auf die Burschen gehört und wär in der Schenke geblieben, aber es war zu spät.
“Die Freiheit, soso…” wiederholte der Bachgeist leise und nach einigem hin und her erzählte er dem Kaufmann, dass ihm die Bachgeister in der darauffolgenden Nacht den Weg zu ihrem Schatz zeigen würden. Er sollte sich Punkt Mitternacht wieder auf der Insel einfinden. Im Wasser würden dann rote und grüne Lichter erscheinen denen er nur folgen müsse. Auch solle er eine Schaufel, einen Sack und eine Schubkarre mitbringen, weil er den Schatz erst ausgraben, ihn dann im Sack vor neugierigen Augen verstecken und mit der Schubkarre nach hause fahren müsse.
Der Kaufmann tat wie ihm aufgetragen pünktlich war er auf der Insel und schon bald sah er das erste Licht im Wasser. Ohne zu zögern stieg er in die eisigen Fluten, da das zweite Licht, das dritte. Aufgeregt folgte er den Lichtern durch das kalte Wasser, sie führten ihn bald hierhin bald dorthin, seine Füße spürte er schon lange nicht mehr, und gerade als er dachte dass ihn die Bachgeister wohl an der Nase herum führten und er sich wohl besser auf den Heimweg machen sollte, trat er in ein tiefes Loch. Sofort versank er in der eisigen Aach, er hatte das Gefühl als zerre ihn etwas in die Tiefe, er strampelte und ruderte mit aller Macht um wieder an die Oberfläche zu kommen. Das er ein hundsmißerabler Schwimmer war half dabei nicht gerade. Aber kurz bevor er das Bewusstsein verlor durchbrach er prustend die Wasseroberfläche und saugte gierig die kalte Nachtluft ein.
“Wie du siehst sind wir schon frei.” Heulte ihm eine schreckliche Stimme entgegen und wie eine Urgewalt fielen die Bachgeister über den Kaufmann her. Sie hetzten ihn durchs Wasser, prügelten ihn windelweich, tunkten ihn unter und hatten ihre wahre Freude an dem Spiel.
Die ganze Nacht trieben die Bachgeister mit dem armen Kaufmann ihr Unwesen und die Anwohner die dem Aachufer am nächsten waren behaupteten später sie hätten ihn schreien gehört bis der Morgen graute.
Als am frühen Morgen der Gastwirt seine Schenke öffnete glaubte er seinen Augen nicht zu trauen. Auf der Straße vor dem Wirtshaus stand eine goldene Schubkarre auf der ein goldener Sack stand daneben lag eine goldene Schaufel und als der Wirt sich dem Sack näherte hörte er ein klägliches Wimmern. Er öffnete den Sack und heraus kroch der Kaufmann.
Aber was war mit ihm geschehen? Völlig verängstigt, patschnass und voller blauer Flecken stand er heulend und zitternd im Hof. Nie wieder soll er wieder geworden sein wie er war, es wird berichtet, dass er durch`s Land zog und als irrer Bettler sein Dasein fristete. Die Bachgeister aber hatten sich an die Abmachung gehalten, sie hatten dem Kaufmann von ihrem Schatz gegeben und waren nun frei. Wild zogen sie durch die Gegend und ärgerten die Menschen. Sie konnten erst am Fasnachtsdienstag wieder von fröhlichen lauten Kindern zurück ins Wasser getrieben werden.